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Die Techniken:
Hanfkalk-Bauweisen können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden. Bei der ersten wird der vor Ort hergestellte Hanfkalk auf der Baustelle gemischt und feucht eingebracht, gesprüht oder aufgetragen. Bei der zweiten Kategorie werden vorgefertigte Hanfkalk-Steine, Blöcke und auch ganze Wandtafeln werksseitig hergestellt, zur Baustelle transportiert und dort vermauert oder montiert.
Vor Ort hergestellter Hanfkalk (In-situ-Verfahren):
Diese Methode Hanfkalk zu verarbeiten ist weit verbreitet und auf Grund der Einfachheit auch für den Laien leicht anzuwenden. Je nach Bedarf und Umfang des Projektes kann mit Hilfe eines Freifall- oder Zwangsmischers auf der Baustelle das Bindemittel unter der Zugabe von Hanfschäben und Wasser gemischt werden.
Das fertige Mischgut wird hierbei zwischen Schalungsbrettern lagenweise eingebracht und anschließend per Hand und/oder einem Werkzeug (Picke, Holzstempel, etc.) verdichtet. Häufig wird die temporäre Schalung beidseitig an einem lastabtragenden Holzständerwerk befestigt, welches innerhalb der Dämmebene liegt. Sie wandert mit jeder neuen Schichtfolge mit. Dabei ist zu beachten, dass die Schichtdicken 0,6m -0,8m pro Tag nicht überschreiten und die darunterliegende Schicht ausreichend stabil ist. Auf die so erbauten Wände kann nach einer erforderlichen Trockenzeit ein atmungsaktiver Kalk- oder Lehmputz aufgetragen werden.
Diese Methode setzt zwar einen hohen körperlichen Arbeitsaufwand voraus, verzichtet aber weitestgehend auf maschinelle Hilfe. Daher ist sie bei Eigenheimbauern beliebt, die ihre eigene Arbeitskraft einsetzen möchten und damit auch Baukosten sparen. Um Hanfkalk für große und kommerzielle Bauvorhaben einsetzen zu können, wurden mechanisierte Verfahren entwickelt.
Sprühverfahren:
Bei dieser Technik werden Hanfschäben und das verflüssigte Bindemittel in eine speziell für den Baustoff entwickelte Spritzmaschine gepumpt und häufig erst außerhalb, also direkt vor der Spritzdüse miteinander vermischt. Aus verarbeitungstechnischen Gründen weicht die Zusammensetzung der Komponten vom In-situ-Verfahren ab, beispielsweise ist die Menge des benötigten Wassers deutlich niedriger und die Länge der Hanfschäben liegt bei <20mm.
Als Schalungssystem erweist sich hier eine einseitige, über die gesamte Fläche der zu fertigenden Wand reichende und permanente Schalung als sinnvoll. Entsprechend wird das Ständerwerk nicht mittig, sondern zur Schalung hin versetzt konstruiert, da das Hinterfüllen von Lufträumen mit diesem Verfahren nicht möglich ist.
Der hohe Druck bewirkt, dass die Hanfschäben in einem Vorgang vollständig mit Bindemittel ummantelt, direkt auf die Schalung gesprüht und zugleich verdichtet werden können. Die aneinander haftenden Schichten werden solange mehrlagig aufgetragen bis die gewünschte Wandstärke erreicht ist. Um eine durchgehend gleichmäßige Mischung und Verteilung des Hanfkalks für eine ebene Wandoberfläche zu erreichen, ist jedoch ein entsprechendes Maß an Erfahrung und technische Vorbereitungen bei dem Verfahren erforderlich. Dafür können bei größeren Bauvorhaben Maschinen mit hohen Kapazitäten (max.30m³) eingesetzt werden, mit denen etwa 15-20m³ am Tag für das Sprühen von Wänden erzielt werden können.
Kennzeichnend für beide feuchtgemischten Hanfkalk- Verfahren ist, dass Trockenzeiten eingehalten werden müssen bevor Wände vollflächig verputzt werden. Die Dauer ist von verschiedenen Faktoren abhängig (klimatischen Bedingungen, Art des Bindemittels, verwendete Wassermenge, Ventilation etc.), sollte aber mindestens 1 Monat bei günstigen Bedingungen betragen. Bei Sprühverfahren liegt sie bei mindestens 10 Tagen.Zudem sind ggf. zusätzlich spezielle hydraulische Kalke nötig, um die Erhärtung zu beschleunigen.
Hanfkalk-Steine und Blöcke:
Die Steine oder Blöcke werden werksseitig produziert, nicht gebrannt, sondern nur getrocknet und auf der Baustelle verarbeitet. Sie können auf angefeuchtetem Untergrund mit einer dünnen Schicht Kalk-Sandmörtel oder Hanfleicht-Mörtel mit ähnlichen thermischen und mechanischen Eigenschaften verlegt und nach kurzer Trockenzeit verputzt werden. Hanfkalk-Steine lassen sich mit einem Elektrofuchsschwanz leicht auf Maß schneiden, um sie beispielsweise an das gegebene Holzständerwerk anzupassen. Grundsätzlich sollte aber die Holzrahmenkonstruktion sich an das Format des Steines oder umgekehrt orientieren, um Zeitverluste und Verschnitt beim Anpassen zu minimieren.
Auch Wände aus Hanfkalk-Steinen unterscheiden sich in Ihren strukturellen Eigenschaften von Wänden, die im In-situ-Verfahren entstanden sind. Die Herstellung der Steine kann z.B. mehr Bindemittel erfordern und hat eine höhere Rohdichte zur Folge. Damit werden die wärmedämmenden Eigenschaften zwar herabgesetzt, aber dafür die thermische Speichermasse erhöht.
Hanfkalk – Element- und Wandtafeln:
Auch wenn es zurzeit nur wenige Hersteller gibt, die eine Werkfertigung von Wandtafeln betreiben, so ist es doch eine Bauweise, die gerade bei sehr großen kommerziellen und industriellen Projekten, wie z.B. Lagerhäusern und Hallen zum Einsatz kommt.
Die Hersteller bieten dafür verschiedene Vorhangfassaden-Systeme an, die sich im Wandaufbau und in der Verbindung der einzelnen Elementtafeln unterscheiden. Sie bestehen z.B. aus in Abbundzentren oder Fabriken vorgefertigten Holzrahmen, die mit Hanfkalk ausgefacht und auch dort getrocknet werden.
Je nach Anforderung erhöht eine zusätzliche Schicht aus Hanf- oder Holzfaserdämmmatten mit einer diffusionsoffenen Dampfsperre den U-Wert (0.1 – 0.22 W/m²*K). Die Komplexität in Herstellung und Aufbau der Tafeln birgt allerdings auch eine Anfälligkeit für entstehende Wärmebrücken. Um so wichtiger ist bei diesem Systemen ein hoher Detaillierungsgrad und große Sorgfalt bei der Montage.
Fazit:
Vergleicht man die verschiedenen Verfahren Hanfkalk zu verarbeiten, sind bei den vorgefertigten Blöcken und Tafeln vor allem die kurze Trockenzeit und der geringere Arbeitsaufwand auf der Baustelle von großer Bedeutung. Als industriell hergestellte Produkte bieten sie einheitliche Qualitätsstandards und verlässliche, planbare Eigenschaften, die gerade bei komplexen oder auch groß angelegten Projekten von Vorteil sind um Kosten sicherer kalkulieren zu können.
Die Vorteile des In-situ-Verfahrens sind für den Eigenbauer die leichte Umsetzung und eine mit dem geringeren technologischen Aufwand einhergehende ökologische Nachhaltigkeit. Beim händischen Einbringen des Hanfkalks benötigt der Herstellungsprozess letztendlich nicht mehr, als einen Mischer mit einer Reihe helfender Hände, die die Eimer übergeben. Es wird kein Werk und keine zusätzliche Energie zur Herstellung und kein Kran benötigt, um Wandtafeln vor Ort zu platzieren. Von großem Vorteil ist die Eigenschaft eine durchgehend monolithische Wärmedämmschicht in der Gebäudehülle herzustellen, die sich nahezu an jede Form und Gestalt anpassen lässt. Damit minimiert Halfkalk als Dämmmaterial die Entstehung von Wärmebrücken und bietet in Kombination mit einer innenseitig verputzten Oberfläche eine hervorragende Luftdichtigkeit.
Raumklima
Gebäude aus Hanfkalk
Die Anfänge des Hanfkalks sind der Restaurierung historischer Fachwerkhäuser in Frankreich während der frühen 90er Jahre zuzuschreiben. Hanf in Verbindung mit kalkhaltigen Bindemitteln wurde als natürlicher Ersatz für Lehmausfachungen sehr geschätzt. Verarbeiter und Architekten wie beispielsweise Charles Rasetti, Bernard Boyeux, Francis Aujames und Yves Kühn begannen mit den Hanf-Verbundstoffen zu experimentieren und sie für neue Konstruktionen und Anwendungen in Alt- und Neubau erfolgreich weiterzuentwickeln. (z.B. Dämmung für Boden und Dach).
Maison de l'Habitat, Clermont-Ferrand, Frankreich
Mittlerweile geht die Zahl der Wohn- und Nichtwohngebäude, in denen Hanfkalk verbaut wurde allein in Frankreich in die Hunderte. Dazu zählt auch das 7-geschossiges Bürogebäude, das 2005 eröffnete und unter einem Dach verschiedene Strukturen beherbergt, die sich auf Information und Beratung in den Bereichen Wohnen, Architektur, Stadtplanung und Energie spezialisiert haben. Neben Massivholz-Aufbauten und Holzböden, sind hier 500 m2 Einzelwände aus 30 cm dicken Hanfkalk-Blöcken in der Fassade und den Innenwänden verbaut worden. Blauregen und Geisblatt verschatten die Südfassade und bieten bei heißem Wetter wirksamen Schutz.
Reihenhäuser Haverhill, Suffolk, GB
Das experimentelle Bauprojekt wurde ins Leben gerufen und durchgeführt von der Suffolk Housing Society mit der Unterstützung der Housing Cooperation und St Edmundsbury Borough Council. Hoher Innovationsdruck und großes Interesse an nachhaltigen Bauweisen brachte mehrere Parteien zusammen.
Ziel: Ein Vergleich zwischen Hanfkalkgebäuden und zwei Gebäuden in traditioneller Bauweise aus Mauerwerk
Die Häuser sind Teil eines größeren 1,5 Millionen Pfund Wohnungsbauprojektes bestehend aus 18 Gebäuden. BRE (Building Research Establishment) erfasste Daten der vier Gebäude und begleitete das Projekt wissenschaftlich über einen Zeitraum von zehn Jahren. Neben thermografischen Untersuchungen wurden u.a. die konstruktiven und akustische Eigenschaften, die Luft- und Dampfdurchlässigkeit, die Dauerhaftigkeit und die Baukosten erfasst.
Wie der Final Report on the Construction of the Hemp Houses at Haverhill von 2002 ausführlich beschreibt, sind die Eigenschaften der Hanfkalkgebäude qualitativ vergleichbar mit denen der traditionellen Bauweise mit Mauerwerk. Beispielsweise liegt der Heizölverbrauch der Hanfkalkgebäude nicht über dem der Zwillingshäuser mit zweischaligen Außenwänden (Hohlraum mit 100mm Dämmung aus Steinwolle). Und beide Bauweisen bieten gleichermaßen Schutz gegen das Eindringen von Wasser, wobei bei den Hanfkalkgebäuden weniger Kondensat auftritt.
Adnams Brewery, Suffolk, GB 2006
Bauherr und Ingenieure Michael Beare verzichteten auf Stahl und Aluminium sowie Sandwich-Paneele mit synthetischer Wärmedämmung für die geplante Lagerhalle. Stattdessen entschieden sie sich für eine Hohlkammerwand aus 100.000 luftgetrockneten, hoch verdichteten Tradical Hanfkalk-Blöcken mit einer Füllung aus gering verdichtetem Hanfkalk.
Diese 15m hohen Außenwände liegen zwischen Stahlstützen, wobei ein 3m hoher Sockel aus Mauerwerk für den Aufprallschutz von einparkenden Lastwagen sorgt. Mit einer Fläche von 4400m2 und Baukosten um die 5,8 Millionen Pfund hatte niemand zuvor ein Gebäude mit Hanfkalk in der Dimension umgesetzt.
Das Bier- und Weinlager erfordert eine gleichbleibend kühle Temperatur und ein durchgängig stabiles Raumklima. Umgesetzt wurde 2006 das Gebäude ohne kostspielige automatische Klimatisierung mit deutlichen Einsparungen in den Energiekosten und zusätzlicher Nutzfläche, die sonst für Klimageräte benötigt worden wäre. Die thermischen und hygroskopischen Eigenschaften der Hanfkalk-Wände mit einem U-Wert von 0.18 W/m2K tragen zu einer ganzjährigen, stabilen Raumtemperatur von 12-14°C und einer gleichbleibenden Innenraumfeuchte bei.
Apartmenthaus, Grezzena, Italien
Zum Zeitpunkt meines Besuches der Baustelle 2016 waren die Arbeiten am Wohnhaus mit 10 geplanten Apartments noch im vollen Gange. Die Tragstruktur des Gebäudes ist aus Stahl. Die Wände der Gebäudehülle bestehen aus einer Hanfkalk-Mischung mit geringer Dichte (220kg/m3), die auf eine innenseitige verlorene Schalung aus Hochlochziegeln aufgesprüht wurde. Außen schließt sie mit einer 2cm dicken Kalkputzschicht ab. An der Unterkostruktion aus Holz wurden die vorgefertigten Fensterlaibungen befestigt, die auch die Dämmstärke von etwa 300mm vorgeben.
Equilibrium-Bioedilizia als Hanfkalk-Hersteller und ausführende Firma stieg bereits früh in die Planung des Gebäudes ein. Damit kann sie bei dieser effizienten aber auch komplexen Sprühtechnik, Architekten und Bauherren bei technischen und bauphysikalischen Fragen, bei der Kalkulation von Zeit und Kosten beratend begleiten und gleichzeitig die Kontrolle über die Baustellenabläufe und Ausführungsqualität erhöhen. Auf den laufenden Baustellen finden auch Schulungen für Architekten statt.
Hanf & Kalk
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